Freitag,
24.05.2019 - 09:00
4 min
Heiße Eisen: Melanie Striebinger ist Hufschmiedin

Von Julia Kleiner
Volontärin

Melanie Striebinger (40) hat ihren Traumjob gefunden. (Foto: Julia Kleiner)
Melanie Striebinger steht neben dem Pferd, beugt sich über den kranken Huf und beäugt ihn kritisch. Die Besitzerin, eine Ärztin und einige Helfer stehen im Vorraum der Schmiede mit ernster Miene um den vierbeinigen Patienten herum. Angespannte Stille erfüllt den Raum, das Pferd schnaubt aufgebracht. Aus dem Hintergrund ertönt energisches Hämmern. Der Hammer klirrt auf glühende Eisen.
Melanie Striebinger lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Hier hört alles auf ihr Kommando, denn sie ist die Chefin der Lehrschmiede in Gießen, die zur Universitätsklinik für Pferde gehört.
Die 40-Jährige greift zu einer Raspel und entfernt überschüssiges Kunststoffmaterial vom Huf. Die beiden Vorderhufe stecken in orthopädischen Klebehufschuhen. Diese schützen den kranken Huf vor äußeren Einflüssen und erspart das Vernageln von Hufeisen.
Abhilfe bei orthopädischen Problemen
Routiniert behandelt die elernte Metallbauerin und Hufschmiedin den Patienten. Dieser kann schon fast wieder schmerzfrei laufen. „Das sieht doch schon mal gut aus“, stellt Striebinger zufrieden fest. Pferd und Besitzerin können vorerst den Heimweg antreten.
Als Hufbeschlaglehrschmiedin behandelt Striebinger orthopädische Hufbeschwerden bei Pferden und assistiert bei Hufoperationen in der Gießener Tierklinik, außerdem bildet sie auch Hufschmiede und Hufbeschlaglehrschmiede aus. Auf diesem Gebiet ist sie bundesweit die einzige Frau.
Von Emanzipation in einer Männerdomäne möchte die 40-Jährige allerdings nichts wissen. „Ich finde es schade, dass man darüber reden muss“, erklärt Striebinger. Sie habe den Beruf nicht ausgewählt, um ein Zeichen zu setzen, sondern einfach, weil sie schon immer Hufschmiedin werden wollte. Striebinger ist der Meinung: „Wenn man liebt, was man tut, dann macht man es auch gut.“ Egal, ob es dabei um einen Mann als Hebamme oder eine Frau als Hufschmiedin gehe.
Pferde haben in Melanie Striebingers Leben schon immer eine große Rolle gespielt. Bereits als Kind hatte die gebürtige Alten-Buseckerin ein eigenes Pony, ist einige Jahre Gangpferderassen in den USA geritten und hat diese auf Messen wie der Equitana oder der Eurocheval vorgestellt. Auch heute noch geht die Liebe zu den Pferden über den Beruf hinaus. Zuhause warten auf sie – neben Hund und Eseln – ein „Quarter Horse“-Pferd, das Striebinger selbst reitet und vier Kutschpferde, die von ihrem Ehemann gefahren werden.
Ihre Faszination für die Tiere ist vielfältig. „Man könnte sie jetzt auf emotionale Weise beschreiben. Aber man kommt auch einfach nicht auf dumme Idee, wenn man seine Zeit mit den Tieren verbringt und lernt, ihnen mit Respekt zu begegnen“, sagt Striebinger mit einem Schmunzeln. Trotz aller Liebe bleiben die sanften Vierbeiner mit der kuscheligen Fellnase im Job ihre Patienten, über die Klartext gesprochen werden muss. „Ich möchte nichts beschönigen, muss aber manchmal aufpassen, dass ich nicht zu direkt werde“, gibt Striebinger offen zu. So offen und positiv geht sie nicht nur mit Kunden, sondern auch mit ihren Lehrlingen in der Schmiede um.
In der sechsmonatigen Weiterbildung der Hufschmiede zum Hufbeschlaglehrschmied übernimmt Melanie Striebinger überwiegend den theoretischen Teil. Dazu gehört zum Beispiel die Lehre über die Anatomie des Pferdes. Außerdem übernimmt die Lehrschmiedin die Organisation im Büro und die Vorbereitung von Veranstaltungen wie dem Schmiedewettbewerb, der einmal im Jahr während dem Gießener Hufbeschlagtages stattfindet. Dann werden Kunstwerke aus Eisen geschmiedet und für einen guten Zweck versteigert.
Grundlage für den Kurs zum Hufbeschlaglehrschmied ist eine dreieinhalbjährige Ausbildung zum Metallbauer der Fachrichtung Metallgestaltung mit dem Schwerpunkt Hufbeschlag. Einen deutlichen Rückgang der Bewerber im Handwerk kann Striebinger nicht bestätigen, der Beruf als Hufschmied sei gleichbleibend beliebt. Auch mit einer fachfremden Berufsausbildung ist der Quereinstieg zum Hufschmied möglich. Nach einer zweijährigen Tätigkeit bei einem staatlich anerkannten Hufschmied kann man ebenfalls die Weiterbildung zum Hufbeschlaglehrschmied antreten.
In der Lehrschmiede wird das Eisen traditionell am offenen Feuer erhitzt und mit dem Hammer auf dem Amboss geformt. Ein Handwerk, das viel Körpereinsatz abverlangt – egal, ob Mann oder Frau. Im Unterricht werde die schwere körperliche Arbeit nicht explizit behandelt, sagt Striebinger. Das Bewusstsein, den Körper fit und gesund halten zu müssen, sei aber da. „Der Beruf ist fast wie ein Sport, dabei kommt es aber nicht nur auf Ausdauer und Kraft an“, erklärt sie. Es brauche das gewisse Geschick, mit dem Pferd umzugehen und es komme darauf an, sich gutes und passendes Werkzeug auszusuchen, sagt die Lehrschmiedin. Dennoch habe die Mutter einer Tochter besonders nach der Schwangerschaft körperliche Defizite bemerkt. Trotz mancher Anstrengungen, „die man ab 40 nicht mehr so gut wegstecken kann“, würde Melanie Striebinger noch mal alles genauso machen.
Rund 40 Männer wollten ihren Job
„Ich hatte viel Glück und war zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“ Bei der Besetzung zur Leitung der Lehrschmiede setzte sie sich gegen rund 40 Mitbewerber durch. Und auch nach rund 20 Jahren in dem Beruf fehlt ihr kein Funken Motivation. Getreu nach dem Motto des bekannten Hufschmieds Fritz Rödder sorgt sie jeden Tag mit Eifer und Herzblut dafür, dass Pferde schmerzfrei laufen können. Denn, so der Titel von Rödders Lehrbuch: „Ohne Huf kein Pferd.“