Hans-Georg Maaßen verkündet landauf, landab seine Botschaften - auch in Mainz-Kastel. In Deutschland herrsche ein totalitäres System, sagt er - und vergleicht Flüchtlinge mit Flugenten.
Von Reinhard Breidenbach
Leitung Politikredaktion, Chefreporter
Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen im Oldtimer-Museum in Mainz-Kastel.
(Foto hbz / Judith Wallerius)
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MAINZ-KASTEL - Hans-Georg Maaßens Gesicht wirkt blass, er spricht eher leise, manchmal undeutlich. Akustisch. Was die Inhalte angeht – die sind unmissverständlich. Und grell, nicht blass.
Am 8. November 2018 veranlasste Innenminister Horst Seehofer die Versetzung Maaßens (56), bis dahin Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, in den einstweiligen Ruhestand. Empörung hatte Maaßen mit Interview-Äußerungen ausgelöst, bei den Neonazi-Krawallen in Chemnitz Anfang September 2018 habe es keine Hetzjagden auf Ausländer gegeben. Zudem bestand der Verdacht, der Verfassungsschutzpräsident Maaßen habe der AfD in vertraulichen Gespräche Ratschläge erteilt.
An diesem Abend im Oldtimer-Museum zu Mainz-Kastel, zu dem der Deutsche Arbeitgeber Verband bat, bekommt Maaßen vom vielköpfigen Auditorium teils warmen, teils begeisterten Beifall und zum Schluss stehende Ovationen. Maaßen äußert Atemberaubendes. Er sagt: „Wir sind in ein totalitäres System zurückgefallen.“ Bei ihm klingt die Aussage, die schockieren muss, eher beiläufig. Es gebe eine „Hinwendung zur Ideologie der jeweils Herrschenden“. 240.000 ausreisepflichtige Flüchtlinge seien im Land, „davon werden nur zehn Prozent abgeschoben“. Die Ausländerpolitik der vergangenen Jahre stehe nicht mit dem Gesetz im Einklang.
„Die Deutschen geben ihre Freiheitsrechte auf“
Der Primat, der Vorrang des Rechts, sei aufgegeben, behauptet Maaßen. In früheren Jahrhunderten hätten sich Kirche und Monarchen über das Gesetz erhoben, später, in totalitären Staaten wie der DDR, habe die Ideologie geherrscht. Anstelle der Herrschaft des Rechts gebe es in Deutschland nun die Herrschaft von Ideologie, von Moral, die sich anmaße, über dem Gesetz zu stehen. Zum Beispiel beim Klima. Klima ist eines der Lieblingsthemen Maaßens. „Klima“, bekundet er mit Häme in der Stimme, „steht ja über allem“. Die „Angst vor der Klimahölle“ müsse als Rechtfertigung herhalten, wenn bei „Fridays for Future“ die Schulpflicht außer Kraft gesetzt werde. „Wenn du den Müll nicht trennst“, giftet Maaßen leise, „dann kommst du in die Klimahölle“. So würden Bürger zu Untertanen. Und: Für die Industrie habe das „furchtbare Auswirkungen, zum Beispiel beim Atomausstieg“.
Die Meinungsfreiheit sei beeinträchtigt. Wer etwa mit dem AfD-Vorsitzenden Jörg Meuthen zu Mittag esse, laufe Gefahr, ausgegrenzt zu werden. Man kenne diese Methoden der Stigmatisierung aus kommunistischen Staaten. Maaßen sieht „Einschüchterung und Deformation“, beklagt: „Die Deutschen geben ihre Freiheitsrechte auf – die Kälber gehen zur Schlachtbank, ohne zu murren.“
Es folgt eine Anekdote nach Maaßen-Art. Einmal, 2016, habe sein Fahrer zu ihm gesagt: „Chef, ich hab‘ da ein Problem.“ Der Fahrer habe einen Bußgeldbescheid bekommen, weil er Lauf-Enten hielt, die entgegen der gesetzlichen Vorschrift nicht beringt waren. „Dann brauchen doch aber Ausländer“, so habe sein Fahrer zu ihm gesprochen, „auch irgendwas, wenn sie nach Deutschland kommen?“ Er habe seinem Fahrer empfohlen, das Bußgeld zu bezahlen, denn bei Flug-Enten zeige der Rechtsstaat klare Kante. „Dann“, so Maaßen, „gibt es aber noch den anderen Rechtsstaat, wenn es um Migranten geht“.
Kein brillanter Redner
„Wenn wir in dem Tempo weiter in die Sackgasse fahren, landen wir an der Betonwand“, droht Maaßen. Das betreffe auch die Außenpolitik. „Die Amerikaner sind unsere besten Partner und müssten entsprechend behandelt werden.“ Deutschland brauche „einen Politikwechsel, eine Personalwende“. Teil des Problems seien, neben den – selbstredend – rot-grünen Medien, korrumpierbare Bundestagsabgeordnete. Viele von denen würden unter vier Augen erklären, wie Merkel das 2015 mit den Flüchtlingen gemacht habe – so gehe das nicht. Dieselben Abgeordneten „klatschen dann aber beim CDU-Parteitag zwölf Minuten lang Beifall“ für Merkels Migrationspolitik.
Maaßen ist wahrhaftig kein brillanter Redner, bisweilen eher verdruckst. Und larmoyant, wenn er von seinem Rauswurf spricht: „Ich hätte es mir leichter machen und widerrufen können, wie Galileo Galilei.“ Jenem setzte 1633 die Inquisition zu, weil die katholische Kirche sein Weltbild – fälschlich – für eine Irrlehre hielt. Das also ist der Maßstab, in Maaßens wüster Welt.