Wiesbadener Bus-Experiment erreicht kritische Masse nicht

Mit 47 Menschen im vorderen Teil des Gelenkbusses wurde es beim Test zwar kuschelig eng. Für ein aussagekräftiges Bild, dass auch die Kritiker der These von der Überlastung des Netzes überzeugt, reichte die Resonanz am Sonntag aber nicht. Foto: Volker Watschounek
WIESBADEN - 47 Leute, dann war Schluss. Nicht wegen des Platzangebotes im Bus, sondern mangels Teilnahme. Das herbstlich-regnerische Wetter sorgte am Sonntag dafür, dass nicht nur der eigentlich angesetzte „City Hack“ kurzfristig abgesagt wurde, sondern auch ein ganz spezieller Programmpunkt nicht wie geplant durchgeführt werden konnte. Die praxisnahe Klärung der Frage: Wie viele Personen passen tatsächlich in einen Bus? 150 Menschen hätte man eigentlich zusammenbekommen wollen, um einen Gelenkbus aus der Eswe-Flotte an und über die Kapazitätsgrenze zu bringen. So machten Witterung und Programmabsage den Initiatoren zumindest für diese Woche einen Strich durch die Rechnung – oder, besser gesagt: durch die beiden Rechnungen. Wenn möglich, soll am kommenden Wochenende noch einmal ein Versuch gestartet werden. Am Rande des Stadtfestes und mit dann sicher besseren Aussichten auf das Erreichen der kritischen Masse.
Magistratsbericht zieht Debatte nach sich
Die unterschiedlichen Ansichten zur Kapazitätsgrenze von Bussen hatten spätestens seit dem Vorliegen eines Magistratsberichts zur Auslastung der Wiesbadener Linien zu Diskussionen geführt. Die Front verlief ziemlich genau entlang der Meinungsgruppen zur City-Bahn. Während Umwelt- und Verkehrsdezernent Andreas Kowol (Grüne) von alltäglichen Überfüllungszuständen der Busse in Wiesbaden sprach, wollten die City-Bahn-Skeptiker, beispielsweise die FDP, diese Diagnose nicht so stehen lassen (wir berichteten). Sie interpretierten die Zahlen aus dem Magistrat als Datenmaterial, das die Mär vom überlasteten Busnetz entkräfte. Im Magistratsbericht sei die Vollauslastung eines Gelenkbusses schon bei 100 Passagieren angegeben. Dabei liege die Kapazität laut Herstellerangaben bei 145.
Am Sonntag sollte nun am lebenden Modell geklärt werden, wie sich ein Bus an den Kapazitätsgrenzen des Magistrats und des Herstellers jeweils anfühlen – oder ob sie überhaupt in der Praxis zu erreichen ist. Als Versuchsfahrzeug stand ein MAN-Gelenkbus mit – laut Typenschild – 49 Sitz-, 89 Steh- und einem Rollstuhl-Stellplatz bereit. Wegen der wenigen Testpersonen konnte man am Sonntag aber nicht mehr tun, als die knapp 50 Köpfe zählende Gruppe in den Vorderteil des Busses zu konzentrieren. Das war zwar schon ziemlich kuschelig eng, für ein Ende der Debatte aber zu wenig.
„Ich bin weiterhin nicht überzeugt“, urteilte FDP-Repräsentant Frank-Julian Lube, der am Sonntag seine wegen einer Klausurtagung verhinderten Parteifreunde vertrat. Zumindest als Richtwerte müsse man die Angaben der Hersteller, die ja nach gültiger Rechtslage errechnet werden, auch zur Bemessung von Linienauslastungen hernehmen: „Ein paar Passagiere mehr oder weniger sind ok. Aber so gravierend runterzugehen, finde ich schon problematisch.“
„Die FDP sagt: Die Leute dürfen sich erst über zu volle Busse beschweren, wenn die vollkommen dicht gepackt sind“, hielt Martin Kraft vom Vorstand der BI „Pro City-Bahn“ dagegen. Und Vorstandskollege und Busfahrer Jürgen Gebhardt fügte hinzu: „Das ist ungefähr so wie bei Aufzügen. Da wird mit Belastungswerten eine zulässige Höchst-Anzahl errechnet, die man in der Praxis gar nicht erreichen kann.“