Dienstag,
03.12.2019 - 05:00
3 min
City-Bahn: Bürgerentscheide als Stimme des Volkes?

Von Matthias Laux
Lokalredakteur Wiesbaden

Ein Kreuzchen mit Folgen: In fünf hessischen Gemeinden wurden im laufenden Kalenderjahr die Bürger zu konkreten Sachfragen zur Urne gebeten. (Foto: dpa)
WIESBADEN - Langenselbold, Mörlenbach, Wetter, Birkenau und Neuberg – in fünf hessischen Gemeinden fanden im Jahr 2019 Bürgerentscheide statt. In Wiesbaden soll im kommenden Kalenderjahr mittels dieses Instruments der direkten Demokratie auf kommunaler Ebene eine Antwort auf die Frage herbeigeführt werden, ob in der hessischen Landeshauptstadt eine City-Bahn in der geplanten Form gebaut werden soll – oder eben nicht.
Zum theoretischen Hintergrund: Mit einem Bürgerentscheid können die Bürger in einer kommunalen Gebietskörperschaft (Gemeinde, Landkreis, Bezirk) über Sachfragen des eigenen Wirkungskreises entscheiden. Der Bürgerentscheid steht dem Beschluss der gewählten Kommunalvertretung gleich. Ihm entspricht auf Landes- oder Bundesebene der Volksentscheid.
Die Verpachtung eines Strandbads, die Aufhebung eines Bebauungsplans, die administrative Zusammenlegung zweier Gemeinden – all dies waren Themen, über welche die Bürger in Hessen 2019 in den genannten fünf Kommunen zur Urne gebeten wurden. Die nächsten Bürgerentscheide sind im Übrigen bereits fix datiert: So wird beispielsweise Ende April 2020 in Königstein im Taunus über die Schließung eines Teilstücks des Philosophenwegs abgestimmt.
Doch welche Lehren kann Wiesbaden, kann die hiesige Stadtgesellschaft aus den jüngsten hessischen Bürgerentscheiden der nahen Vergangenheit ziehen?
Die Verpachtung eines Strandbads, die Aufhebung eines Bebauungsplans, die administrative Zusammenlegung zweier Gemeinden – all dies waren Themen, über welche die Bürger in Hessen 2019 in den genannten fünf Kommunen zur Urne gebeten wurden. Die nächsten Bürgerentscheide sind im Übrigen bereits fix datiert: So wird beispielsweise Ende April 2020 in Königstein im Taunus über die Schließung eines Teilstücks des Philosophenwegs abgestimmt.
Doch welche Lehren kann Wiesbaden, kann die hiesige Stadtgesellschaft aus den jüngsten hessischen Bürgerentscheiden der nahen Vergangenheit ziehen?
1. Spektrum der Fragestellungen ist riesig
Zunächst ist festzuhalten: Alle Bürgerentscheide 2019 in Hessen fanden in Kommunen statt, die jeweils deutlich weniger Einwohner als Wiesbaden zählen. Dies bedingt unter anderem, dass seriöse Rückschlüsse, etwa in Bezug auf die Mobilisierungsmaßnahmen der Bürgerinitiativen oder die Mechanismen der kollektiven Meinungsbildung, nur unter Vorbehalt gezogen werden können. Zudem sind viele Fragestellungen, die zur Abstimmung gestellt wurden, zu spezifisch, als dass daraus allgemeingültige Erkenntnisse gewonnen werden könnten (Beispiel vom 8. September: „Soll die bestehende Nachtabschaltung der Straßenbeleuchtung in Wetter in den Nachtstunden aufgehoben werden?“).
Zunächst ist festzuhalten: Alle Bürgerentscheide 2019 in Hessen fanden in Kommunen statt, die jeweils deutlich weniger Einwohner als Wiesbaden zählen. Dies bedingt unter anderem, dass seriöse Rückschlüsse, etwa in Bezug auf die Mobilisierungsmaßnahmen der Bürgerinitiativen oder die Mechanismen der kollektiven Meinungsbildung, nur unter Vorbehalt gezogen werden können. Zudem sind viele Fragestellungen, die zur Abstimmung gestellt wurden, zu spezifisch, als dass daraus allgemeingültige Erkenntnisse gewonnen werden könnten (Beispiel vom 8. September: „Soll die bestehende Nachtabschaltung der Straßenbeleuchtung in Wetter in den Nachtstunden aufgehoben werden?“).
Kommentare

Matthias Laux
Kommentar zu Bürgerentscheiden: Feines Gespür
2. Finanzielle Aspekte sind starke Antriebsfedern
Vertreter- oder Bürgerbegehren – beide Varianten, einen Bürgerentscheid zu beantragen oder zu beschließen, wurden in Hessen 2019 rege genutzt. In Gegenüberstellung mit der Wiesbadener Entscheidungsfindung in Bezug auf die City-Bahn kommt der Bürgerentscheid in Birkenau hinsichtlich des zu entscheidenden Sachverhalts der hiesigen Fragestellung sicher am nächsten: Ende Oktober stimmten die Einwohner der Odenwald-Gemeinde über den geplanten Bau eines neuen Bürgerhauses ab. Eindeutiges Resultat: Fast 83 Prozent votierten dagegen. Michael Pauli, einer der beiden Vertrauenspersonen der Bürgerinitiative (BI) gegen das Bürgerhaus, erklärt im Rückblick seine persönliche Motivation: „Wir wurden seitens der Gemeindevertretung regelrecht angelogen. Man hat der Bürgerschaft Pläne vorgestellt, von denen man genau wusste, dass man sich das finanziell gar nicht leisten könne.“
Vertreter- oder Bürgerbegehren – beide Varianten, einen Bürgerentscheid zu beantragen oder zu beschließen, wurden in Hessen 2019 rege genutzt. In Gegenüberstellung mit der Wiesbadener Entscheidungsfindung in Bezug auf die City-Bahn kommt der Bürgerentscheid in Birkenau hinsichtlich des zu entscheidenden Sachverhalts der hiesigen Fragestellung sicher am nächsten: Ende Oktober stimmten die Einwohner der Odenwald-Gemeinde über den geplanten Bau eines neuen Bürgerhauses ab. Eindeutiges Resultat: Fast 83 Prozent votierten dagegen. Michael Pauli, einer der beiden Vertrauenspersonen der Bürgerinitiative (BI) gegen das Bürgerhaus, erklärt im Rückblick seine persönliche Motivation: „Wir wurden seitens der Gemeindevertretung regelrecht angelogen. Man hat der Bürgerschaft Pläne vorgestellt, von denen man genau wusste, dass man sich das finanziell gar nicht leisten könne.“
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3. Details der Fragestellung sind nicht entscheidend
„Für das politische Klima in Birkenau war der Bürgerentscheid kein Rückschritt“, erläutert Pauli. Der 64-Jährige stand einer – auch erst im laufenden Kalenderjahr gegründeten – Bürgerinitiative vor, in der sich etwa 60 Menschen aus Birkenau engagierten. Gleich mehrere BI-Mitglieder waren Teil der Gemeindevertretung, welche den Bürgerentscheid mittels eines Vertreterbegehrens, wie es auch in Wiesbaden geplant ist, initiierte. „Das war im ersten Moment ein Problem für uns“, so Pauli. „Bei einem Bürgerentscheid sollte man aus verhaltenspsychologischer Sicht darauf achten, dass man die Frage, die man durchkriegen will, mit Ja beantworten kann. Wir hätten also lieber Unterschriften für unsere Fragestellung gesammelt. Doch auch das Nein auf dem Stimmzettel erwies sich dann als keine unüberwindbare Hürde für unser Anliegen.“
„Für das politische Klima in Birkenau war der Bürgerentscheid kein Rückschritt“, erläutert Pauli. Der 64-Jährige stand einer – auch erst im laufenden Kalenderjahr gegründeten – Bürgerinitiative vor, in der sich etwa 60 Menschen aus Birkenau engagierten. Gleich mehrere BI-Mitglieder waren Teil der Gemeindevertretung, welche den Bürgerentscheid mittels eines Vertreterbegehrens, wie es auch in Wiesbaden geplant ist, initiierte. „Das war im ersten Moment ein Problem für uns“, so Pauli. „Bei einem Bürgerentscheid sollte man aus verhaltenspsychologischer Sicht darauf achten, dass man die Frage, die man durchkriegen will, mit Ja beantworten kann. Wir hätten also lieber Unterschriften für unsere Fragestellung gesammelt. Doch auch das Nein auf dem Stimmzettel erwies sich dann als keine unüberwindbare Hürde für unser Anliegen.“
4. Facebook & Straßenstände werden überschätzt
Gänzlich abraten würde Pauli indes von zwei relativ populären Maßnahmen: „Sowohl die Meinungsmache auf Facebook als auch die samstäglichen Stände in der Innenstadt bringen rein gar nix.“ Im Südhessischen habe man stattdessen versucht, klare Botschaften mit Hilfe von Plakaten und Flyern zu senden; für beides ist Geld unerlässlich. Die Bürgerinitiative gegen das Bürgerhaus in Birkenau wurde von einem Sponsor monetär stark unterstützt. Pauli: „Aber auch diverse Spenden haben uns geholfen.“
Gänzlich abraten würde Pauli indes von zwei relativ populären Maßnahmen: „Sowohl die Meinungsmache auf Facebook als auch die samstäglichen Stände in der Innenstadt bringen rein gar nix.“ Im Südhessischen habe man stattdessen versucht, klare Botschaften mit Hilfe von Plakaten und Flyern zu senden; für beides ist Geld unerlässlich. Die Bürgerinitiative gegen das Bürgerhaus in Birkenau wurde von einem Sponsor monetär stark unterstützt. Pauli: „Aber auch diverse Spenden haben uns geholfen.“