Neue Gebührensatzung des Main-Taunus-Kreises für Flüchtlingsunterkünfte ruft Kritiker auf den Plan

Im Herbst 2016 wurde die Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge im Kastengrund in Hattersheim bezogen. Der zuständige Dezernent Johannes Baron zeigt eines der Zimmer. Archivfoto: Jürgen Dickhaus Foto:
MAIN-TAUNUS - 398 Euro pro Monat: Das ist der Betrag, den der Main-Taunus-Kreis künftig für jeden Bewohner abrechnen will, der in einer Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge wohnt. Eine entsprechende Gebührensatzung passierte am Montag den Haupt- und Finanzausschuss, am kommenden Montag hat der Kreistag darüber zu entscheiden. Sie soll es dem Kreis ermöglichen, die tatsächlich anfallenden Kosten mit dem Bund abzurechnen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Satzung breite Zustimmung finden wird, ist groß. Denn lediglich die Sozialdemokraten enthielten sich im Ausschuss der Stimme und wollen eine Härtefallregelung hinzufügen. Die Linken, die die Satzung in dieser Form ablehnen, hatten im Ausschuss kein Stimmrecht.
Kritiker sprechen von Mietwucher
Heftig ist die Kritik allerdings von Seiten derer, die sich um Flüchtlinge kümmern. Aus Sicht des Runden Tisches „Viele Kulturen – eine Zukunft“ kommt die neue Gebührenordnung „einem Mietwucher gleich“. Und die Initiative „Solidarität grenzenlos MTK“ warnt davor, dass die hohen Kosten anerkannte Flüchtlinge mit eigenem Einkommen wieder zu Hartz IV-Aufstockern machen werden und damit ihre Chancen auf eine dauerhafte Niederlassungserlaubnis durchkreuze.
Hintergrund für die Gebührensatzung ist das Landesaufnahmegesetz, das der Hessische Landtag im Dezember 2017 beschlossen hat. Es enthält eine „Satzungsermächtigung“, die es den Landkreisen ermöglicht, kostendeckende Gebühren für die Gemeinschaftsunterkünfte zu erheben. Die Erstattung soll vom Bund kommen, die bisherige Landespauschale von 190 Euro pro Person und Monat fiel weg, erläutert Kreissprecher Dr. Johannes Latsch. Außerdem habe es schon bisher einen nicht gedeckten Kostenanteil gegeben, auf dem der Kreis sitzen blieb. Grundlage der 398 Euro seien die gemittelten Kosten für alle Unterkünfte aus den Jahren 2016 und 2017, bei einer „realistischen Belegungsauslastung“ von 80 Prozent.
ABSTIMMUNG
Der Haupt- und Finanzausschuss des Kreises hat den Entwurf der Gebührensatzung mit den Stimmen von CDU, Grünen, FDP, FWG und AfD befürwortet. Die SPD enthielt sich. Die Linke durfte nicht mitstimmen, weil sie keinen Fraktionsstatus hat.
Im Kreistag am 5. März ab 16 Uhr im Kreishaus in Hofheim will die SPD beantragen, dass in die Satzung eine Härtefallregelung aufgenommen wird.
Die Linke will vorschlagen, sie in Anlehnung an das „Freiburger Modell“ zu gestalten. Darin sind unter anderem die Gebühren für die Unterbringung für Selbstzahler reduziert. (ah)
Im Kreistag am 5. März ab 16 Uhr im Kreishaus in Hofheim will die SPD beantragen, dass in die Satzung eine Härtefallregelung aufgenommen wird.
Die Linke will vorschlagen, sie in Anlehnung an das „Freiburger Modell“ zu gestalten. Darin sind unter anderem die Gebühren für die Unterbringung für Selbstzahler reduziert. (ah)
Wer Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder Sozialhilfe (SGB II) erhalte, müsse zwar nicht zahlen, doch für Geflüchtete, die arbeiten, seien „die Folgen schlimm“, sagt Michael Kegler von der Initiative „Solidarität grenzenlos MTK“. Eine Familie mit drei Kindern, die in einem 30-Quadratmeter-Zimmer wohnt, müsse dann knapp 2000 Euro zahlen. Selbst wenn sie Arbeit hat, werde sie das nicht bezahlen können und zu Hartz-IV-Aufstockern. Und das werde den Betroffenen dann wahrscheinlich auch die Möglichkeit nehmen, eine dauerhafte Niederlassungserlaubnis zu bekommen, sagt Kegler, die voraussetzt, dass die Betroffenen überwiegend unabhängig von Sozialleistungen leben.
Die Aufregung bei den Flüchtlingsinitiativen kann man beim Kreis nicht verstehen. Zum einen gelte die Gebührenordnung nur für anerkannte Flüchtlinge, die weiterhin in Gemeinschaftsunterkünften wohnen. Für jeden, der ausziehe, gelte ohnehin das normale Sozialhilfesystem. Und die anderen könnten ja aufstocken, „dadurch wird kein Flüchtling auf die Straße gesetzt“, sagt Latsch. Auch die Kritik, jeder private Vermieter würde bei diesen Preisen „zu Recht wegen Mietwuchers angezeigt“, wie Kegler sagt, hält der Kreis für unberechtigt. Die Unterbringung in den Gemeinschaftsunterkünften sei mit einem normalen Mietverhältnis gar nicht zu vergleichen. Schließlich müssten die Bewohner sich weder um Reparaturen kümmern noch Waschmaschinen oder Ähnliches selber anschaffen.
Die Initiative bestreitet, dass es nur um anerkannte Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften geht. Die Gebührensatzung gelte „für die Leute, die berufstätig sind“, sagt Kegler. Der Hofheimer kritisiert außerdem, dass die tatsächlichen Kosten, die zu der Berechnung der 398 Euro führten, nicht offengelegt worden seien. Er vermutet, dass der „überteuerte Kauf“ des Kastengrunds in Hattersheim (acht Millionen Euro hatte der Kreis dem Unternehmen Infraserv für die 2011 stillgelegte Tierversuchsanlage gezahlt, auf der auch Teile der Kreisverwaltung untergebracht sind) und „völlig absurd überhöhte Mieten“ an private Hausbesitzer ein wesentlicher Faktor seien. Kreissprecher Latsch verweist hingegen auf „Orientierungspunkte“, anhand derer entschieden werde, welche Mieten als angemessen gelten.