Von Mathias GuboWEHEN - „Unter der Herrschaft der Gewalt und des Unrechts zerstört“, heißt es auf der Gedenktafel für die von Nazis zerstörte jüdische Synagoge in Wehen. Einiges an Gewalt war ganz bestimmt notwendig, um die Tafel in der Weiherstraße zu demolieren. Ein Riss geht mitten durch die Tafel, die Schülerinnen der Gesamtschule in Hahn mit Unterstützung der Stadt Taunusstein 2014 entworfen und aufgestellt haben.
Zuerst beschmiert
Zwar steht die Gedenktafel wenig auffällig in einem Pflanzbeet vor dem Haus Weiherstraße 15, dem Standort der ehemaligen Wehener Synagoge. Trotzdem war sie in dieser Woche schon zwei Mal Ziel eines Anschlags von Unbekannten. Zunächst hatten diese nachts die Tafel mit schwarzer Farbe verschmiert. Harald Lubasch, Leiter des Taunussteiner Museums im Wehener Schloss, konnte die Farbe mit Lösungsmittel wieder entfernen. Doch schon in der folgenden Nacht griffen die Täter zu brachialeren Mitteln und versuchten, die Tafel zu zertrümmern. „Sehr unschön“, nennt Bürgermeister Sandro Zehner (CDU) diesen Anschlag. Die Stadt Taunusstein habe deshalb bei der Polizei Anzeige erstattet.
Eine Form von „latentem Antisemitismus ist am Bodensatz unserer Gesellschaft vorhanden“, gibt sich der Rathauschef keinen falschen Hoffnungen hin. Ob es sich aber tatsächlich um „politische Sachbeschädigung“ handele, müsse die Polizei klären. Das Schild werde auf jeden Fall repariert und solle dann im Zuge der im nächsten Jahr geplanten Erneuerung der Weiherstraße einen möglichst würdigen und sicheren Platz bekommen, verspricht Zehner.
Auch der Wehener Ortsbeirat will überlegen, wie man den Hinweis auf die zerstörte Synagoge vernünftig und dauerhaft platzieren kann, sagt Ortsvorsteher Günter Linke (Grüne). Die Erinnerung an vergangenes Unrecht müsse aufrecht erhalten werden, „das ist unsere Verantwortung“. Zwar seien die Fälle von Sachbeschädigungen in Wehen zurückgegangen, stellt Linke fest, „aber es gibt offenbar immer noch genügend Holzköpfe“. Ausgesprochen betroffen reagiert Norbert Müller, der Leiter der Hahner Gesamtschule. Solche Vorgänge wie in Wehen seien doch sehr bedenklich, „da ist kein Besoffener draufgefallen“. Vielmehr zeige es, dass es immer noch viele Menschen gebe, die das Unrecht in der Nazizeit verharmlosen oder einfach verleugnen wollen. So etwas sei aber „unverantwortlich gegenüber unserer Geschichte“.
Stolpersteine
Müller lobt deshalb die Bemühungen des Taunussteiner Museums, das in einer am Freitagabend eröffneten Ausstellung den Alltag der jüdischen Bevölkerung in der Nazizeit in Taunusstein dokumentiert.
Im Übrigen will die Stadt nach Abschluss der Umbauarbeiten der Weiherstraße nicht nur das Gedenkschild für die Synagoge vernünftig platzieren, sondern auch den Gedenkstein für die Opfer der Naziherrschaft, der seit Jahren am Ehrenmal auf dem Wehener Friedhof liegt, an das Wehener Schloss zurückholen. Zudem sollen sogenannte „Stolpersteine“, die an deportierte Juden erinnern, in der Weiherstraße verlegt werden. Das hat die Stadtverordnetenversammlung schon vor Längerem beschlossen.
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